23 Jul 2014

Rock Me Amadeus: Salzburgs größter Sohn reist nach Pressburg

Wir konnten den berühmtesten Sohn der Stadt an der Salzach und dessen Besuch in der Stadt an der Donau nicht außer Acht lassen – es war übrigens der einzige Besuch in Ungarn in seinem kurzen, aber so produktiven Leben.



Er war Superstar, er war populär,
er war so exaltiert, because er hatte Flair,
er war ein Virtuose, war ein Rockidol,
und alles rief: Come on, and rock me Amadeus!

Falco, Rock Me Amadeus





Ein musikalischer Superstar und Rockidol, so rapt im Jahr 1985 Falco in der Nummer „Rock Me Amadeus“ über Mozart, den größten Sohn Salzburgs. Falco schaffte damit etwas, was kein österreichischer Musiker (der Neuzeit) vor oder nach ihm erreichte, nämlich Platz eins für eine Single in den US-Charts. Zwar provozierte der Punk-Mozart die konservativen Liebhaber klassicher Musik, doch genau in dieser Rolle des Provokateurs sah sich Falco wohl gern. Auf jeden Fall sicherte ihm die Nummer Weltruhm. Mozart selbst hatte eine solche Werbung nicht nötig. Er war bereits seit 200 Jahren weltberühmt. Solche Talente kommen nicht alle Tage auf die Welt. Genauer müsste man 201 Jahre schreiben, denn so viele trennen die Geburt von Mozart und Falco. Es waren andere Zeiten, und Vergleiche allzu sehr zu strapazieren, wäre unsinnig. Doch sicher ist, dass beide hochgesteckte Ziele hatten, ein schnelles Lebenstempo und musikalisches Talent. Und es war ihnen ein kurzes Leben beschieden. Zurück blieb ihre Musik, die, so unterschiedlich sie auch sein mag, für die jeweiligen Fans auf jeden Fall außergewöhnlich ist. Nicht wenige Menschen hören beide gern.

Was hat Falco inspiriert, ausgerechnet den Song „Rock Me Amadeus“ zu schreiben? Gründe hat es wahrscheinlich mehrere gegeben, aber zwei sind den Autoren bekannt: Erstens sah sich Falco wohl gern in der Rolle des Mozart seiner Zeit, und zweitens wurde er von einem Film inspiriert, der Amadeus heißt. Der Regisseur des Streifens ist so außergewöhnlich und passt so gut in unser Buch, dass wir uns einen kurzen thematischen Exkurs erlauben: Miloš Forman wurde 1932 in der Tschechoslowakei geboren, seine beiden Eltern starben in Konzentrationslagern. Einer seiner Klassenkameraden in der Internatsschule, die er besuchte, war Václav Havel. Nach dem Prager Frühling zwang man Forman praktisch zur Emigration, was eine steile Karriere in den USA ermöglichte: Einer flog über das Kuckucksnest erhielt fünf Oscars und Forman seinen ersten Regie-Oscar. Doch selbst dieser Erfolg wurde im Jahr 1985 durch Amadeus in den Schatten gestellt: Der Film gewann achtmal, und Forman erhielt seinen zweiten Regie-Oscar.
Was Falco darstellte, inspirierte auch Forman zur Schaffung seiner Filmfiguren: Meist waren es Künstler und unangepasste Helden, die sich den Normen der Zeit und der Gesellschaft widersetzten. Die Dreharbeiten fanden übrigens überwiegend in Prag (zum Teil auch in Wien) statt. Wie auch immer man es anstellt, immer wieder tauchen die verschiedensten Verbindungen zwischen den Themen der Recherchen auf: die einstige Tschechoslowakei, Pressburg, Salzburg – und ihr größter Sohn Mozart.
Wenn man in Salzburg lebt, ärgert man sich nicht selten über die völlig verstopfte Getreidegasse, und ganz speziell über den neuralgischsten Punkt dieser berühmtesten aller Salzburger historischen Gassen: Mozarts Geburtshaus, das auch Hagenauerhaus genannt wird. Hier hat das Musikgenie am 27. Jänner 1756 als siebentes Kind der Familie das Licht der Welt erblickt. Warum man hier so schwer durchkommt, wird verständlicher, wenn man sich die Informationen der Stiftung Mozarteum zu diesem Haus anschaut: Es soll zu den meistbesuchten Museen der Welt zählen. Ob diese Behauptung der Stiftung Mozarteum stimmt, konnten die Autoren nicht überprüfen, dass man aber als Salzburger täglich den Eindruck gewinnt, dass dies stimmen könnte, kann kaum geleugnet werden. Manche Besucher staunen, dass man an der berühmtesten Adresse Salzburgs auch die Filiale einer großen Supermartkette findet. Dass Mozart außerdem in bald jedem zweiten Haus der Getreidegasse in Form von Schokoladekugeln und weiteren Produkten vermarktet wird, braucht man gar nicht näher zu erläutern.

Das angesprochene Phänomen hat zwischenzeitlich derartig skurrile Blüten getrieben, dass es uns unmöglich erscheint, nicht kurz dabei zu verweilen. In einem Artikel der Salzburger Nachrichten aus dem Jahr 2005, der mit „Mozart-Vermarktung ohne Hemmungen“ betitelt ist, kann man ein gutes Bild von den Entwicklungen bekommen. Man würde es nicht für möglich halten, aber es gibt nichts, was es in Zusammenhang mit Mozart nicht gibt. Immerhin gilt Mozart als eine der bekanntesten Marken weltweit – und sie ist nicht geschützt!
Die fantasievollen Produkte schossen vor allem seit dem Mozartjahr 2006 wie Schwammerln aus dem Boden. Mögen Musikliebhaber und Mozartfans noch so verständnislos den Kopf schütteln, Geschäft ist Geschäft. Der Rubel muss rollen, und das ist heute nicht mehr bloß sprichwörtlich, sondern auch wortwörtlich zu nehmen: Russische Touristen hört man auf Schritt und Tritt. Wer also glaubt, die legendären Mozartkugeln stehen im Mittelpunkt, der war entweder lange nicht mehr in Salzburg oder er beachtet seine Umwelt nicht aufmerksam genug. Klar, die Kugeln sind allgegenwärtig, doch gibt es auch Schirme, Mozart-Puzzle, quitschende und Geige spielende Badezimmer-Enten mit weißer Perücke, Socken wie auch Krawatten, Comicfiguren, Bierkrügerln, Stamperln, Häferln, Teller, Liköre, Parfüms, Dosen, Mozart-Schnitten und -Torten, Servietten und Taschentücher, Schreib- und Spielwaren, „Mozart-Editionen“ für annähernd alles, „Papageno- und Amadeusmischungen“ ebenfalls mitsamt den passenden Teedosen, „Zauberflöte“ kann für alles mögliche stehen, ebenso wie „Kleine Nachtmusik“ oder „Cosi fan Tutte“, weiters Kleidungsstücke, Schreibzeug jeder Art, Golfbälle, Babyflascherln, Nudeln in Form von Mozarts Kopf und allerhand weitere Accessoires. So heterogen die Aufzählung scheint, all diese Gegenstände haben eine Gemeinsamkeit: Sie haben in irgendeiner Form einen Mozart aufgedruckt! Mag das Produkt noch so kitschig und unauthentisch für Salzburg sein, (nicht nur) bei asiatischen Kunden findet es garantiert Anklang. Ob es die 450 Gramm schwere Dauerwurst in Geigenform, die jeweils zur Hälfte aus Schweine- und Rindfleisch besteht und mit Muskatnuss und Pistazien versehen ist, immer noch gibt, diese „Mozartwurst“? Die stadteigene Brauerei Stiegl hat ein eigenes Mozart-Bier kreiert, dem ein Mozartwein folgte, und auch ein Mineralwasser der Marke „Mozart Quelle“ hat das Licht der Welt erblickt. Selbst in Japan soll es einen Reiswein mit dem Mozartlogo geben.

Doch ist die Fantasie mit hochgeistigen Getränken nicht erschöpft, auch Milchprodukte gibt es in Hülle und Fülle. Auffallend ist, dass die Mozartvermatktung gern mit dem Attribut „echt“ spielt: Der Handelskrieg zwischen echten und unechten Mozartkugeln ist in der Stadt an der Salzach hinreichend bekannt, doch gibt es genauso das „Echte Salzburger Mozart Dessertjogurt“ oder den „Echten Salzburger Mozart Drink“.
Es ist ganz klar, dass der Flughafen Salzburg „Wolfgang Amadeus Mozart“ heißt. Wir haben hier in der Stadt einen Mozartsteg wie auch einen Mozartplatz. Und nach einem Jahrhundert ist es seit dem Jahr 2002 wieder möglich, die Salzach mit einem Schiff zu befahren. Auch da hat es nicht viel an Fantasie gebraucht, um das Panorama-Schiff auf den passenden Namen „Amadeus Salzburg“ zu taufen.
Bei Streifzügen durch die Stadt unterliegen die Autoren öfters der Vesuchung und gönnen sich in der Konditorei Fürst nicht nur eine Mozartkugel, sondern auch das Konkurrenzprodukt völlig unterschiedlicher geometrischer Form, den Bachwürfel. Nur die „Original Mozartkugeln“ sind auch wirklich „Original Mozartkugeln“, denn sie werden nach dem Originalrezept und nach der Originalmethode Stück für Stück per Hand hergestellt. Sechs Jahre nachdem sich 1884 der Konditormeister Paul Fürst in Salzburg niergelassen hatte, stellte er 1890 erstmals das Mozart-Bonbon vor, das fast so weltberühmt werden sollte wie der musikalische Pate. Bereits 1905 erhielt Paul Fürst für die Mozartkugel aus grünem Pistazien-Marzipan, Nougat und Kuvertüre eine Goldmedaille bei einer Pariser Ausstellung. Doch schon damals begannen die Probleme, die mit unzähligen Gerichtsprozessen endeten: 1890 verkaufte Paul Fürst die Mozart-Bonbons, schon zehn Jahre später Carl Schatz (Konditoreien Holzermayr und Schatz) die Mozartkugeln. Zahlreiche weitere Nachahmungen folgten. Man kümmerte sich aber anfänglich mehr um die Rezepturen und weniger um den Schutz der Namen. Die Streitigkeiten sollten sich lange hinziehen und erst 1996 entschieden werden: Nur die Produkte der Firma Fürst dürfen „Original Salzburger Mozartkugel“ heißen, die Konkurrenten mussten sich mit anderen, aber sehr ähnlichen Namen begnügen, so mit „Echte Salzburger Mozartkugeln“ die Firma Mirabell in Grödig bei Salzburg oder mit „Echte Reber-Mozartkugeln“ die bayerischen Firma Reber. Die ist auch der mit Abstand weltgrößte Produzent für Mozartkugeln, diese Firma Paul Reber GmbH & Co. KG aus dem bayerischen Bad Reichenhall. Nicht weniger als 180 Millionen Kugeln produziert Reber jährlich, und das sind 500.000 täglich. Kein Wunder, dass man bei diesen Mengen mit Handarbeit nicht mehr weit kommt.

Mirabell gehört jetzt einem US-Konzern, und nach diversen Rechtstreitigkeiten darf nur diese industriell hergestellte Mozartkugel ganz rund sein. Alle anderen industriell produzierten Mozartkugeln müssen eine abgeflachte Stelle haben. Gut, dass der arme Mozart nicht mehr wissen konnte, dass sich der Bonner – später Berliner – Bundestag, österreichische Regierungsbeamte, Brüssel, die EG und später EU und wer weiß wer noch aller mit einer süßen Kugel beschäftigten, mit der er selbst rein gar nichts zu tun hatte.
Auch mit den wunderbaren musikalischen Einrichtungen der Stadt, die Mozarts Namen tragen, konnte das Musikgenie nicht persönlich zu tun haben, ist er doch viel zu früh gestorben. Die Universität Mozarteum Salzburg geht auf das Jahr 1841 zurück, der Dommusikverein und das Mozarteum wurden zum fünfzigsten Todestag von Wolfgang Amadeus Mozart gegründet. Die Musik der damaligen Stadt befand sich „tatsächlich in einem Zustand traurigen Verfalls“, wie zeitgenössische Beobachter formulierten, ganz anders nun in der Ära der Salzburger Festspiele. Das Ziel des Mozarteums sollte es sein, einen Aufschwung herbeizuführen, der dem Namen des Namenspatrons würdig wäre, in erster Linie als Konservatorium zur Heranbildung junger Musiker, aber auch um Konzerte mit guten Musikern zu veranstalten sowie um Stipendien an begabte Studenten des Konservatoriums zu verteilen. Hochgesteckte Ziele, die alle Geld benötigten.
1870 wurde daher die Internationale Mozartstiftung zur Förderung begabter Musiker ins Leben gerufen, die nach verschiedenen organisatorischen Umbauten zur Internationalen Stiftung Mozarteum wurde. Und auch die musikalische Ausbildungsstätte durchlief unter verschiedenen Namen eine Entwicklung: Öffentliche Musikschule Mozarteum, Reichshochschule Mozarteum, Musikhochschule, Akademie für Musik und darstellende Kunst Mozarteum und seit 1998 schließlich Universität Mozarteum Salzburg. Daneben gibt es aber auch noch die Internationale Stiftung Mozarteum und das Mozarteum Orchester Salzburg. Mozart würde sich wahrscheinlich nicht mehr auskennen.

Nach all den Salzburger Reminiszenzen an den größten Sohn der Stadt wollen wir uns unserem eigentlichen Thema zuwenden, dem Besuch des jungen Wolfgang Amadeus mit seiner Familie in Pressburg. Näher auf die Persönlichkeit Mozarts, sein Schaffen und seinen rätselhaften Tod einzugehen, würde den Rahmen dieses Buches um ein Vielfaches sprengen, abgesehen davon, dass darüber schon alles in unzähligen Bücher geschrieben wurde. Ist der angebliche Schädel Mozarts tatsächlich sein eigener Kopf? Wurde er tatsächlich vergiftet? All das lässt sich woanders nachlesen. Belassen wir es dabei, was im Wiener Totenbeschau-Buch steht: „Am 5. Dezember 1791 starb im kleinen Kaiserhaus an der Rauhensteingasse in Wien der Wohledle Herr Wolfgang Amadeus Mozart, K. K. Kapellmeister und Kammer Compositeur, gebürtig von Salzburg, im Alter von 35 Jahren an einem hitzigen Frieselfieber.“

Uns interessiert vor allem der Besuch der Mozarts in Pressburg. Der jüngere der Autoren arbeitet im historischen Stadtkern und spaziert täglich am einstigen Palais Palffy in der Venúrska ulica Nr. 10 vorbei. Es gehört zu seinen Liebslingsbeschäftigungen, sich unaufällig einer der ausländischen Reisegruppen anzuschließen, um zu erfahren, was so, in allen möglichen Sprachen, an Geschichten erzählt wird. Besonders schätzt er die österreichischen Reisegruppen, die vor allem aus Rentnern bestehen, weil er diese Ausführungen gut versteht. Das besagte Palais war bis vor kurzem noch die Adresse der österreichischen Botschaft. Doch das ist unwesentlich, es geht vielmehr um eine kleine Gedenktafel aus weißem Marmor, die besagt, dass im Jahr 1762 in diesem Haus der sechsjährige W. A. Mozart ein Konzert gegeben hat. Jede Reisegrupppe macht hier halt, und es folgt das obligate Klicken der Kameras und das dazugehörige Blitzlichtgewitter.


Der Neffe lächelt nur bei diesen Situationen. Die Botschaft der Tafel entspricht nicht der Wahrheit.
Auf diese geschichtliche Unkorrektheit machte der Pressburger Historiker Štefan Holčík in der Bratislavské noviny (Pressburger Zeitung) aufmerksam. Es war die Idee eines Musikologen, um jeden Preis eine weitere touristische Attraktion zu schaffen. Das gelang ihm durch die Legende über den kleinen Wolfgang Amadeus Mozart, die bis heute weitererzählt wird. Holčík schreibt: „In den 90er Jahren schrieb ein Pressburger Journalist, dass ihm egal ist, ob Mozart in Pressburg im Palais des Generals Palffy war oder nicht, wichtig ist nur, dass die Gedenktafel der Stadt ‚Image‘ verleiht. Freilich könnten wir an dieser Stelle darüber diskutieren, ob das Image der Stadt durch eine erfundene Information tatsächlich verbessert wird. Es bleibt ja nicht bei der einen Gedenktafel: Die Reiseleiter schmücken die Story immer unverschämter aus durch unsinnige Märchen, von denen nicht einmal jener kommunistische Musikwissenschaftler träumte, der sich den Aufenthalt des sechsjährigen Wolfgang im Palais Palffy ausgedacht hat.“

Kehren wir aber nach Salzburg zu Beginn des Jahres 1762 zurück. Vater Leopold war von seinen Wunderkindern derartig begeistert, dass er ihr durch Gott geschenktes Talent der Welt vorführen wollte. Die allererste Reise ging nach München, wo der kleine Wolferl, wie man ihn nannte, zusammen mit seinem älteren Schwesterchen Maria Anna, das wiederum Nannerl genannt wurde, ein wunderbares Konzert vor dem bayrischen Kurfürsten Maximilian III. gab. Durch den Erfolg ermuntert, beschloss Vater Leopold, mit diesen Konzerten vor Herrschern und dem Adel weiterzumachen. Und er wollte hoch hinaus und nahm den kaiserlichen Hof in Wien ins Visier. Er übte mit den Kindern unermüdlich und förderte ihr Talent. Zu Beginn des Herbstes 1762 waren sie so weit, und am 18. September starteten sie zum ersten Mal nach Wien. Auf dem Weg machten sie in Passau halt, wo sie ein Konzert gaben, und ebenso in Linz, wo der junge Wolfgang öffentlich auftrat.

Am 6. Oktober abends ist die Familie endlich in der kaiserlichen Metropole angekommen. Wolferl gewann die Herzen der Menschen, egal ob es sich um den hohen Adel oder um Beamte handelte, die es unter Einfluss des zauberhaften Geigenspiels versäumten, das Gepäck der Familie der ansonsten vorgesehenen Kontrolle zu unterziehen. Leopold schrieb: „Eins muß ich sonderheit anmerken, daß wir bey der schanzlmauth ganz geschwind sind abgefertiget und von der Hauptmauth gänzlich dispensirt worden. Daran war auch unser Wolferl schuld: dann er machte also gleich seine Vertraulichkeit mit dem Mautner zeigte ihm das Clavier, machte seine Einladung, spielte ihm auf dem Geigerl ein Menuet, und hiemit waren wir expediert. Der Mautner bath sich mit der grösten Höflichkeit die Erlaubniß aus uns besuchen zu därffen, und notierte sich zu diesem Ende unser Quartier.“

Das erste Konzert der beiden Kinder war am 9. Oktober. Dem folgte eine ganze Reihe von Konzerten in den Häusern des Adels, so am 10. Oktober beim Grafen Wilczek. Nachrichten über die Wunderkinder breiteten sich in Wien rasend schnell aus, und Leopold Mozart erhielt bald darauf die ersehnte Einladung zum kaiserlichen Hof. Am 13. Oktober empfingen Maria Theresia, die am 25. Juni 1741 in Pressburg zur Königin Ungarns gekrönt worden war, und ihr Gemahl Franz Stephan von Lothringen die Mozarts in einer dreistündigen Privataudienz in Schönbrunn. Das kaiserliche Paar war hingerissen, die Geschwister vollführten am Klavier allerhand Kunsstücke, mit denen sie das hohe Publikum beeindruckten. Sie konnten beispielsweise mit zugebundenen Augen spielen, oder durch ein dünnes Tuch, das auf die Klaviatur gelegt wurde, oder aber mit einer Hand hinter dem Rücken. Der kleine Wolfgang verletzte sämtliche Regeln der Hofetikette und hüpfte der Kaiserin auf den Schoß, umarmte und küsste sie, womit er sie fast zu Tränen rührte.

Im Original liest sich dies so: „Nun läßt die zeit mehr nicht zu in Eyl zu sagen, als, daß wir von den Mayestäten so ausserordentlich gnädig sind aufgenohmen worden, daß, wenn ich es erzehlen werde, man es für eine fabl halten wird. genug! Der Woferl ist der Kayserin auf die schooß gesprungen, sie um den Halß bekommen, und rechtschaffen abgeküßt. kurz wir sind vor 3 uhr bis 6 uhr bey bey ihr gewesen und der Kayser kam selbst in das andere zimmer heraus mich hineinzuhollen, um die Infantin auf der Violin spielen zu hören. Den 15ten schickte die Kayserin durch den geheimen Zahlmeister, der in galla vor unser Hauß gefahren kam, 2 kleid: eins für den buben und eins fürs Mädl. so bald der Befehl kommt, müssen sie bey Hofe erscheinen, und der geheime Zahlmeister wird sie abhohlen.“

Die Kaiserin beschloss, dem Wunderkind ein Geschenk zu geben, und ordnete an, ein durch Gold gesticktes Kleid zu nähen. Die Beschreibung von Leopold Mozart an L. Hagenauer lautet: „Wollen sie wissen, wie des Woferl Kleid aussiehet? – Es ist solches vom feinsten Tuch liloa-farb. DieVeste von Mode nähmlicher farbe, Rock und Kamizol mit goldborten breit und doppelt bordleret. Es war für den Prinz Maximilian gemacht, Der Nannerl ihr Kleid war das Hofkleid einer Prinzessinn. Es ist weis brochierter Tafet mit allerhand garnierungen. Es ist schade, daß man nichts anders als einen gottilion hat daraus machen können. allein ein Miederl ist auch darbey.“  Ursprünglich war es für ihren Sohn Maximilian Franz gedacht, wurde aber schließlich doch dem kleinen Wolfgang geschenkt. Die Kinder wurden später mehrmals auf Porträtbildern verewigt, die bis heute erhalten sind: „Auf einem anonymen Ölgemälde von 1763, das Pietro Antonio Lorenzoni (1721–1782) zugeschrieben wird, trägt W.A. Mozart diesen geschenkten Hofstaat: Er steht neben einem Klavier und ist mit einem Galanterie-Degen ausstaffiert worden.“

Am 21. Oktober um 19 Uhr folgte die zweite Audienz der Mozarts am kaiserlichen Hof. Der kleine Wolfgang fühlte sich aber nicht wohl, und als sie nach Hause kamen, klagte er über Schmerzen und Fieber: „... den 21. waren wir Abends um sieben Uhr abermals bey der Kaiserinn Maiestl. Unser Woferl war aber schon nicht recht wie sonst; und ehe wir dahin fuhren, wie auch, da er zu Bette gieng, klagte er f. v. den Hintern und die Hüfte. Als er im Bette war, untersuchte ich die orte, wo er die Schmerzen zu füllen vorgab; und ich fand etliche flecken in der grösse eines Kreutzers, die sehr roth und etwas erhoben waren auch bey dem Berühren ihm Schmerzen verursachten. Es waren aber nur an beyden Schinbeinen, an beyden Ellenbogen und ein paar am Podex; auch sehr wenig. Er hatte Hitzen, und wir gaben ihm Schwarz Pulver und Margrafen Pulver.“
Die Arzneimittel, die Wolfgang verabreicht wurden, waren typisch für jene Zeit, aus heutiger Sicht erscheint diese Medikation mehr als abenteuerlich:

„Markgrafenpulver, Pulvis Marchionis, Pulvis Epilepticus Marchionis tauchte in der Mitte des 17. Jahrhunderts erstmals in Arzneibüchern auf, im Dispensatorium pharmaceuticum Austriaco-Viennense, im Wiener Arzneibuch von 1729 scheint es mit folgender (heute obskur anmutenden) Zusammensetzung auf:
Pfingstrosenwurzeln, die bei abnehmendem Mond ausgegraben wurden, zwei Librum [= ca. 840 Gramm]; Eichenmistel; geschabtes Elfenbein; Hirschhornspitzen; Pulver aus Flussmuscheln, je 1/2 Librum [= je 210 Gramm]; weiße Korallen ein Librum [= 420 Gramm]; pulverisieren, mischen, dann dazu geben Goldblättchen 200.
Die Goldblättchen waren zum Einnehmen bestimmt: Jede Einzelportion wurde auf ein Goldblättchen gegeben, dieses gefaltet und dann geschluckt.“

Wahrscheinlich ging es um Scharlach, und der kleine Wolfgang war wegen der Krankheit nicht in der Lage aufzutreten, so dass der Vater schließlich mehrere Konzerte in vornehmen Häusern absagen musste. So etwas schmerzte ihn nicht zuletzt finanziell, denn die Einnahmen aus den Konzerten seiner Kinder entgingen ihm dadurch. Wolfgang hat sich aber verhältnismäßig schnell erholt und ist bereits am 5. November im Haus von Dr. Bernhard, der den Buben ärztlich betreut hatte, aufgetreten. Weitere Konzerte in Wien folgten.
Endlich kommen wir tatsächlich zum Besuch in Pressburg. Schriftliche Zeugnisse sind rar und entsprechend schwer ist es, die Wahrheit von Legenden zu unterscheiden. Die Familie war zwischen 11. und 24. Dezember 1762 auf Einladung von ungarischen Adeligen in Pressburg. Der Besuch sollte der einzige von Wolfgang Amadeus in Ungarn während seines ganzen Lebens bleiben.

Das Eis, auf dem wir uns auf unserer Spurensuche bewegen, ist in Ermangelung von Briefen und Berichten jedoch sehr dünn. Es wäre einleuchtend zu erwarten, dass bei der erwähnten Einladung des ungarischen Adels in die Hauptstadt Ungarns das Interesse an den Wunderkindern und ihrer Musik im Mittelpunkt stand. Doch fehlen uns zu unserem Pech jegliche Beweise für irgendwelche Konzerte der Mozarts in der Stadt. Damals hat Pressburg noch keine Tagespresse gehabt, die berühmte Pressburger Zeitung sollte erst zwei Jahre nach Mozarts Besuch, also 1764, entstehen (sie berichtete, nur als Beispiel, später selbstverständlich über das Konzert von Franz Liszt). Das ist also die Sachlage, und die Gedenktafel auf dem Palais Palffy in der heutigen Ventúrska ulica stützt sich auf keine stichhaltigen Beweise.

Über die Gründe des Besuchs in Pressburg schreibt Leopold Mozart im Brief vom 10. Dezember 1762 an seinen Freund Lorenz Hagenauer, der zugleich Eigentümer jenes berühmten „Geburtshauses Mozarts“ in der Salzburger Getreidegasse war, vor dem sich heute hunderte Touristen versammeln und den Strom der Vorbeiziehenden bremsen: „...so nahm er es auf sich. ja er sagte mir S‘ Hochfl: gnaden würde es auf 14 Täge oder 3 wochen nicht ankommen mir nachzusehen, daß ich auch das Verlangen des Ungarischen Adels begnüge. Denn sie müssen wissen, daß wir von 3 Wochen her immer geplagt werden nach dem Maria Empfängniß Fest nach Presburg abzugehen. Nun wurde dieses Ansuchen itzt stärker, als wir mit den grösten von Ungarn an des Kaysers Geburtstage bey der offentl: tafel sprachen. Morgen gehen wir also nach Pressburg: allein mehr als 8 täge gedenke ich gar nicht alda auszuhalten. hl: v Wallau will selbst desswegen an unsern Hof schreiben; denn er hat es auf sich genommen: sonst wäre ich augenblicklich abgereiset. Denn ich weis eben nicht, ob ich so gar viel in Pressburg profittieren werde.“

Die Familie Mozart kam am 11. Dezember in Pressburg an; in den Quellen werden die uns schon vertrauten Städtchen Petronell und Hainburg erwähnt, die passiert wurden. Der österreichische Musikhistoriker Otto Erich Deutsch betont, dass dies auch per Donauschiff möglich gewesen wäre. Die einzigen Informationen über den Aufenthalt der Familie in Pressburg können wir aus einem Brief von Wolfgangs Vater Leopold an Lorenzovi Hagenauer in Salzburg entnehmen, der am 29. Dezember 1762 in Wien geschrieben wurde; erst nach dem Besuch in Pressburg also. Andere Briefe zwischen dem 10. und 29. Dezember sind nicht erhalten.

„An L. Hagenauer in Salzburg; Wien, 29. Dezember 1762
Homo proponit, Deus disponit. Den 20ten gedachte ich von Presburg aufzubrechen und den 26ten von Wieñ abzugehen, um am Neuen Jahrs Abend in Salzburg einzutreffen. Allein den 19ten bekam ich ungewöhnliche Zähnschmerzen, ich sage: mir ungewöhnliche Zähnschmerzen; denn sie waren an der ganze Reihe der obern vordern ohnschadhaften und sonst gesunden Zähne. Die Nacht hindurch geschwoll mir das ganze Gesicht auf, und den folgenden Tage sahe ich dem wirklichen Posaune Tölpel ähnlich; so zwar, daß hl: Lieutenant Winckler (des Hof Paukers Bruder) da er uns besuchen wollte, beym Eintritte ins zimmer mich verkannte, und irre gegangen zu seyn glaubte. Bey diesem traurigen Umstande musste ich mich mit dem trösten, daß wir ohne hin wegen der ungewöhnlich stark eingefallenen Kälte im arrest waren; denn die flügende Brücke wurde ausgehoben, und [mit] schifflein, auch dabey mit gefahr [...] mit kleinen schiflein, sage ich, konnte man nur etwa das Post Paquet über die Donau hinüber bringen, da dann der Postillion auf einem Bauern Pferd weiter kommen muste. Ich muste demnach warten bis Nachricht kamm, daß die Mark oder March (ein wasser, das nicht groß ist) zu gefrohren ware. Ich nahm also am hl: Abend umb halbe 9 uhr Morgens von Presburg Abschied und kamm auf einem ganz besondern Weeg um halbe 9 uhr Nachts in Wieñ in unserm quartier an. wir reisten diesen Tag nicht sonderlich bequemm, indem der weeg zwar ausgefrohren, allein unbeschreiblich knoppericht und voller tieffer gruben und schläge war; deñ die Ungarn machen keinen weeg. Hätte ich in Pressburg nicht einen Wagen kauffen müssen, der recht gut gehängt ist, so hätten wir ganz gewiß ein paar Rippen weniger nach Hause gebracht. Den wagen muste ich kauffen, wenn ich anders wollte, daß wir gesund nach Wieñ kommen sollten. Denn in ganz Presburg war kein 4sitziger geschlossner wagen bey allen Landkutschern anzutreffen. Diesen wagen hatte ein Stattkutscher-die Stattkutscher därffen aber nicht über Land fahren, aufgenommen mit 2 Pferd nur auf etliche Stunde.“

Aus diesem Brief geht die heute kaum noch fassbare Tatsache hervor, dass die Reise aus Pressburg nach Wien, die wir heute mit dem Auto oder Zug in weniger als einer Stunde schaffen, damals unglaubliche 12 Stunden gedauert hat. Der Wagen, den die Familie in Pressburg gekauft hat, erwies ihr noch gute Dienste, denn mit ihm unternahm sie die berühmte Reise durch Westeuropa im Jahr 1763.
Mozart selbst erinnert sich an Pressburg einige Jahre später in einem Brief an seine Schwester, datiert mit dem 21. August 1773: „Meine Empfehlungen an alle gutte freund und freundinen. von h: und fr. v:Mesmer, Prean, grilli, saliet, steigentesch, steßkam sepherl, frl: franzel hab ich Empfehlungen auszurichten, an die mama und an Dich und anh: v: schidenhofen. Von Mr greibich den wir zu Presburg zu erst kennten, und dann auch zu wien habe auch alles erdenkliches aus zu richten, wie auch von ihro majestät der kaiserin, fr: fischerin, fürst kaunitz. oidda. gnagflow Trazom.“  Mozart selbst also erinnert sich an seinen zweiwöchigen Aufenthalt in Pressburg. Er ist zwar nie wieder in die Stadt zurückgekommen, doch hat er seine ungarischen Freunde und Unterstützer immer wieder in Wien getroffen. Und wer weiß, vielleicht auch Mitglieder der Freimaurerloge, deren Mitglied er geworden war.
Die Pressburger Presse hat Mozart zum ersten Mal 1785 erwähnt. Die slowakische Musikwissenschaftlerin Darina Múdra schreibt darüber in ihrem Artikel „Die frühe Rezeption der Musik W.A. Mozarts in der Slowakei“ wie folgt:

„Die erste Nachricht über W. A. Mozart in der ungarischen Presse veröffentlichte die ‚Pressburger Zeitung‘, und zwar schon 1785. Eine wichtige Quelle der für die Rekonstruktion des Bildes der Rezeption der Mozartschen Musik in der Slowakei erforderlichen Informationen bilden die damaligen Zeitungs-und Literaturnachrichten. Anhand dieser kann festgestellt werden, daß in der Slowakei in der Zeit der Klassik fast alle wichtigen Bühnenwerke Mozarts aufgeführt wurden.
Zum ersten Mal in Ungarn, und zwar gerade in Bratislava, erklang 1785 die Oper ‚Die Entführung aus dem Serail‘. Das war das Verdienst des Bratislavaer Komponisten Josef Chudý und der in Bratislava tätigen erdödyischen Musiker, Mitglieder der bedeutendsten ungarischen adligen Theaterbühne.“

Was erinnert uns an Mozart in Pressburg heute? Abgesehen von der bereits erörterten Gedenktafel gibt es seit 1972 eine Mozartstraße. Und eine Mozart-Plastik auf der Frontseite des Slowakischen Nationaltheaters, geschaffen vom Künstler Ivan Herényi. Recht viel ist es also nicht, wenn wir es mit Salzburg vergleichen, aber dem Umstand angemessen, dass Mozart nur einmal als Kind Pressburg besucht hat.
Für die meisten Menschen gehören Mozart und Salzburg zusammen wie der Deckel auf den Topf ... Doch ist von Mozart eine Aussage überliefert (Brief vom 12. Juli 1783), die das ein wenig in Frage stellt: „Ich hoffe nicht, dass es nötig ist zu sagen, dass mir an Salzburg sehr wenig und am Erzbischof gar nichts gelegen ist und ich auf beides scheiße.“ Und wenn wir schon Mozarts Briefe zitieren, stoßen wir in einem Brief vom 29. Mai 1778 auf eine Ergänzung zu einem anderen Kapitel, in dem es um die österreichische Identität und um die anachronistische Frage ging, ob Mozart Österreicher war: „Was mich aber am meisten aufrichtet und guten Mutes erhält, ist, daß ich ein ehrlicher Deutscher bin.“

Ein Epilog für die Verbindung von Mozart und Pressburg: Wolfgangs Frau Constanze blieb nach 1791 mit ihren beiden gemeinsamen Kindern und seinen Schulden zurück. Sie kämpfte sich tapfer durch, machte nach und nach zu Geld, was sich aus Mozarts musikalischem Nachlass zu Geld machen ließ, und veranstaltete Benefizkonzerte bzw. Konzertreisen mit Mozarts Werken. Am 26. Juni des Jahres 1809 heiratete sie zum zweiten Mal – und das ausgerechnet im St. Martins Dom in Pressburg – den dänischen Diplomaten Georg Nikolaus Nissen, der schon seit 1793 als Legationssekretär der dänischen Gesandtschaft in Wien lebte und es daher nicht weit nach Pressburg hatte. Das Ehepaar zog zuerst nach Kopenhagen, dann lebte es in Deutschland und seit 1824 in Salzburg, wo Nissen zwei Jahre später starb. Eine der Salzburger Straßen im Stadtteil Leopoldskron ist als Georg-von-Nissen-Straße nach ihm benannt.

Constanze gab 1828 eine der ersten Biografien über Wolfgang Amadeus Mozart heraus und lebte noch bis 1842. Begraben ist sie auf dem Sebastiansfriedhof in Salzburg – allerdings nicht gemeinsam mit ihrem Schwiegervater Leopold Mozart, wie man lange Zeit angenommen hatte. Dieser liegt in der sogenannten „Kommunalgruft“ der Gruftarkaden.

Der Sebastiansfriedhof ist eine neben der Linzer Gasse etwas versteckt liegende und damit unauffällige Salzburger Berühmtheit. Er wurde zwischen 1595 und 1600 im Auftrag von Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau nach italienischem Vorbild erbaut. Der Name Mozart ist hier nicht der einzige prominente. Auch eine andere berühmte Persönlichkeit, die Salzburg und Pressburg gewissermaßen verbindet, ist hier begraben: „Hier ruht Philippus Theophrastus Paracelsus, ausgezeichnet als Doktor der Medizin, der jene grässlichen Krankheiten Aussatz, Zipperlein, Wassersucht durch seine wunderbare Kunst heilte, sein Habe und Gut unter die Armen verteilen ließ und im Jahre 1541, am 24. September, sein Leben mit dem Tod vertauschte.“


(c) 2014 Text by Robert Hofrichter, Peter Janoviček. 
(c) 2014 Photos by Robert Hofrichter.  Alle Rechte vorbehalten.